Woran erkennt man einen guten Top und wie reagiert ein Banker, wenn er erfährt, dass sein Kunde hauptberuflich Sexarbeiter ist? Wer solche Fragen hat, ist bei ihm genau richtig: Dominus.Berlin. Wir haben uns mit ihm über seine Erfahrungen unterhalten, seinen beruflichen Alltag und nach Ratschlägen gefragt, die das Leben mit Kink vereinfachen.

Wer ist Dominus.Berlin?

Master André alias Dominus.Berlin (45) ist seit Jahren als Dominus in Deutschland, Schweiz und Österreich (www.dominus.berlin) tätig und gilt als Branchenführer der männlich-dominanten Sexarbeit. Der gebürtige Rheinländer arbeitet seit Jahren in den bekanntesten Dominastudios sowie ebenfalls als Dozent für Themen rund um BDSM. Er ist zudem Sprecher für den Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD).

 

HiS: BDSM ist mehr denn je verbreitet, was ist für Sie persönlich BDSM?

Ich denke, BDSM ist so alt, wie es Menschen auf der Erde gibt. Schon immer gab es die unterschiedlichsten Konstellationen zwischen dem, der die Macht besaß, und dem, der diese Macht aushalten musste, freiwillig oder unfreiwillig. Auch „sich über Schmerz oder Erniedrigung zu spüren, ist für aktiv wie passiv großartig und zeitlos. Der große Unterschied heute ist natürlich, dass wir uns dieses Themas bewusster werden, frei reden können und diese Beziehungen auch ausleben dürfen. Für mich persönlich ist BDSM, abgesehen von meiner ganz eigenen sadistischen Lust, vor allem das Gefüge zwischen zwei Menschen, die sich gegenseitig vertrauen und bereit sind, sich auf einer völlig anderen Ebene zu begegnen.

 

HiS: Ihren Erfahrungen nach, wann entdecken Menschen Ihre Neigungen. Trauen sich viele diese auszuleben?

Ich glaube, die meisten Menschen sind sich ihrer Neigungen schon sehr früh bewusst, häufig entdecken sie bereits in der frühen Kindheit Gefühle und Vorlieben an und in sich, die später dem BDSM-Bereich zugeordnet werden können. Unter Kindern sieht man ja ganz oft, wie ungezwungen mit diesen Themen umgegangen wird. Man denke nur an das klassische „Cowboy-und-Indianer“- Spiel. Der eine fesselt, der andere wird gefesselt. Und es mögen irgendwie immer beide. Aber dann kommt eine Zeit, in der diese kindliche Ungezwungenheit nicht mehr greift. Sehr viele Menschen brauchen dann Jahre, ja Jahrzehnte der inneren Reife, bis sie wieder zu ihren Gefühlen und Neigungen stehen und diese auch ausleben wollen. Eines ist aber sicher: Es könnten noch mehr Menschen aus sich herauskommen. Verdrängung ist immer noch ein dominierender Faktor in der menschlichen Psyche.

 

HiS: Woran erkennt Bottom einen guten dominanten Spieler?

Der gute dominante Spieler ist sicherlich der, dem es nicht nur darauf ankommt, auf sein Gegenüber 2, 3 Stunden einzudreschen und ihn dann wieder ziehen zu lassen. Das gegenseitige Erkennen, was will der eine, was liebt aber der andere, ist beides des Doms Aufgabe. Darum biete ich allen Menschen, die sich bei mir melden und meine Dienste in Anspruch nehmen möchten, ja auch im Vorfeld eine gründliche Anamnese über den Fragebogen an, aus dem dann sehr gut hervorgeht, wo die Vorlieben, aber auch die Abneigungen liegen. Ich spreche sehr viel in meinen Sessions… Irgendwie fühlen Sie alle damit sehr wohl und reflektieren es positiv. Von außen betrachtet ist ein guter Dom auch oft nicht so schwer zu erkennen. Man kann aus jedem Profil erlesen, welchen Anspruch derjenige hat. 2-3 Selfies vor dem Spiegel und kurze wenig aussagekräftige Texte zeigen, dass es ihm/ihr alles nicht so wichtig ist.

 

HiS: Welche Tipps oder Empfehlungen können Sie dem dominanten Part auf den Weg geben?

Mein wichtigster Ratschlag ist immer, wie oben bereits angedeutet: Redet miteinander. Wir alle sind Menschen, wir tauschen uns mit Worten aus. Mir persönlich ist es auch ganz wichtig, nicht nur im Vor- und Nachgespräch, sondern auch in den Sessions selbst, mit meinen Klienten durch die Sprache Kontakt zu halten. Sicher gibt es auch längere Situationen des Weggesperrt-Seins, des Isoliert-Seins, Momente, in denen auch nur mal die Peitsche spricht. Aber ohne verbalen Austausch fehlt etwas sehr wesentliches. Das ist gerade für den dominanten Part sehr wichtig und gerät häufig in Vergessenheit.

 

HiS: Gibt es für Sie eine Grenze ab wann ein Fetisch nicht mehr einer Norm entspricht?

Grundsätzlich gilt für jeden Fetisch, dass er eben abseits der allgemein akzeptierten Norm steht, gerade das lässt ja oftmals schon das Kribbeln im Bauch hochkommen, wenn man nur daran denkt. Aber sicherlich muss es, wie überall, Grenzen geben. Das Einbeziehen von Minderjährigen oder Tieren oder das Hinzufügen von irreparablen Schäden gehört für mich eindeutig zu den sexuellen Praktiken, die ich nie ausüben würde.

 

HiS: Oft haben Menschen Angst ihre Vorliebe zu nennen, da sie fürchten dadurch Ablehnung zu erhalten und leben ihre Vorlieben außerhalb der Beziehung aus, können Sie das bestätigen?

Das kann ich sehr wohl. Es hat lange gedauert, bis unsere Gesellschaft überhaupt in der Lage war, die Liebe zwischen zwei Partnern gleichen Geschlechts anzuerkennen, und wir sehen in vielen Nachbarländern, wie schwer es die LGBTQIA+-Gemeinde immer noch hat, völlige Akzeptanz zu erlangen. Menschen, die nun auch noch einem Fetisch frönen, haben es auch bei uns da sicherlich nochmals schwerer. Das sieht man selbst auf einer Veranstaltung wie der „Venus“-Messe in Berlin, wo das, was im „Kinky“-Bereich praktiziert wird, im „normalen“ Bereich teilweise auf völliges Unverständnis stößt… In der Beziehung eine Partnerin oder einen Partner zu finden, der die Fetisch- Leidenschaft des anderen teilt oder zumindest akzeptiert, ist ein großer Glücksgriff. Aber dafür gibt es uns, die Dominas und Domini. Wir helfen doch den Menschen, ihre Leidenschaften auszuleben, die sie in ihrer eigentlichen Beziehung eben nicht leben können.

 

 

HiS: Sie sind heute ein gefragter Dominus, doch alles hat seinen Anfang, wann und wie war Ihrer?

„Pervers“ war ich sicher schon sehr früh, das hängt mit diesen kindlichen Erfahrungen zusammen, über die ich eingangs schon gesprochen hatte. Mein Vater hatte mir in meinem Kinderzimmer ein Hochbett gebaut, und den unteren Teil hing ich gerne mit Decken ab, so dass ich dahinter mein „Arzt-Labor“ einrichten konnte. Schon damals schaffte ich es, meine Freunde und Freundinnen dazu zu bewegen, sich von mir „untersuchen“ zu lassen… Ich habe dieses Gefühl, Macht über andere zu haben, schon damals sehr genossen. Aber es hat dann eben auch bei mir Jahre gedauert, bis ich erkannt habe, dass ich dies zum Einen privat weiter ausleben wollte und zum Anderen später auch ein Beruf für mich sein kann. Entscheidend war, dass ich nach meinem Umzug nach Berlin Anfang des neuen Jahrtausends bei einer Domina zur Untermiete wohnte. Dort habe ich so viel gelernt. Am Ende, im Jahr 2013, stand dann mein Entschluss fest, meinen „bürgerlichen“ Beruf im Marketing- Bereich an den Nagel zu hängen und voll als Dominus zu arbeiten. Rückblickend wünschte ich, ich hätte damit schon etwas früher begonnen.

 

HiS: Können Sie sich an den Moment erinnern als sie das erste Mal Geld für Ihre Dienste erhalten haben? Empfanden Sie Stolz oder Scham?

An diesen Moment kann ich mich noch sehr gut erinnern, als ich 2013 meinen Koffer mit meinem „Spielsachen“ schnappte und meinen ersten Klienten aufsuchte. Nein, das Gefühl, das ich hatte, war durchweg von Stolz geprägt. Ich war völlig sicher, den richtigen Weg einzuschlagen, und wollte auch alle Welt an dieser Einstellung teilhaben lassen. Es fühlte sich alles sehr gut an, und der Erfolg der letzten acht Jahre hat mir gezeigt, dass es in der Tat die richtige Entscheidung war. Bezüglich des monetären Aspekts meines Handelns hatte ich nie Zweifel. Es ist eben Berufung UND Beruf. Ein Geistlicher kümmert sich um das Seelenheil der Gläubigen; dennoch erhält er eine Entlohnung aus den Kirchensteuern. Als Sexarbeiter sorge ich gerne für ein erfüllte Liebesleben meiner Klient*innen; aber leben muss ich natürlich auch von etwas. Das sich dennoch zwischen vielen meiner Spielpartner*innen und mir tolle Beziehungen entwickeln, steht außer Frage.

 

HiS: Stellt ihr Beruf in ihrem Alltag manchmal ein Problem dar?

In einer Stadt wie Berlin grundsätzlich eher weniger. Hier leben Menschen mit den unterschiedlichsten Neigungen und Eigenschaften, auch in sexueller Hinsicht. In der Familie, unter Nachbarn, im Bekannten- und Freundeskreis stellt mein Beruf keinerlei Problem dar. Aber es gibt durchaus Situationen, wo ich als Sexarbeiter doch an Grenzen stoße. Gespräche mit Banken zum Beispiel können manchmal ganz schön vertrackt sein, wenn ich meinen Beruf benenne. Da zweifelt man dann schon sehr, ob ich damit wirklich in der Lage bin, Kredite zu bedienen o.ä.

 

HiS: Über welche Buchungsanfragen freuen Sie sich persönlich immer besonders?

Erst einmal freue ich mich über jede und jeden, die/der sich an mich wendet und eine Session bei mir buchen möchte. Natürlich sind mir meine Stammkund*innen lieb, da hat sich mitunter schon eine jahrelange Beziehung entwickelt, da weiß man genau, was das Gegenüber braucht und möchte, was man selbst erwarten kann. Wie schon am Anfang erwähnt, jegliche Art von BDSM hat nur sekundär mit reinen „Schlägen“ zu tun. Es ist vielmehr eine ganz außergewöhnliche Form von Vertrauen, Hingabe, Verbundenheit. Und das wird von Jahr zu Jahr besser, wie ein guter Wein, der lange reift. Aber natürlich freue ich mich über alle, die das erste Mal zu mir kommen und ihre ganz eigene Fetisch-Welt vor mir ausbreiten. Das ist dann auch für mich wie ein neuer Kontinent, den ich entdecke, ein Abenteuer, das riesigen Spaß bereiten kann.

 

HiS:  Gibt es auch Kunden bei denen man nach dem „Augen zu und durch“-Prinzip arbeitet oder haben Sie generell immer Spaß bei Ihrer Arbeit?

Da ist es nicht anders als in jedem anderen Beruf auch. Es gibt immer Klient*innen, da funkt es auf Anhieb, da ist jede Stunde, die man zusammen verbringt, ein Vergnügen. Bei anderen Menschen dauert es etwas, bis das Eis gebrochen ist, aber dann ist der Weg frei für eine positive Entwicklung. Aber es gibt eben auch Menschen, da will es von Anfang an nicht funktionieren, man findet einfach nicht den Weg, auf dem man zusammen gehen kann. In den allermeisten Fällen gelingt es mir auch dann, mein Gegenüber glücklich zu machen, und es gibt auch für mich immer irgendetwas, das mich reizt, das mich befriedigt. Das ist das wunderbare an meinem Beruf. Ich verkaufe eben nicht nur 3 Sorten Brot, und entweder schmeckt es dem Kunden oder nicht, sondern ich biete ein riesiges Sortiment an unterschiedlichsten Köstlichkeiten, und irgendwas mögen dann beide.

 

HiS: Sie arbeiten auch als Dozent im erotischen Bereich, wie wichtig finden Sie diesbezüglich Fachwissen und Grundkenntnisse?

Ich denke, das ist ein Bereich, der häufig viel zu wenig beachtet wird. Wir Sexarbeiter*innen sind eben kein Ausbildungsberuf mit mehrjähriger Lehre und Abschlussprüfung und dauernder beruflicher Fortbildung. Der Grund ist wie immer: das Stigma. Wir werden eben immer noch belächelt. Eigentlich ist das nicht logisch beim ältesten Gewerbe der Welt, denn um beim Bildungsbeispiel zu bleiben: klar kann jeder zuhause Sex haben und es ggf. auch gewerblich anbieten, es gibt ja auch die Möglichkeit Brot zuhause zu Backen, trotzdem erlernt man den Beruf des Bäckers, wenn man es gewerblich anbieten möchte. Ich selbst biete Kurse an, die die Themen Marketing in der Sexarbeit behandeln. Auch hier gibt es wenig Angebote.

 

HiS: Wenn Sie sich für Ihre Branche für die Zukunft Etwas wünschen dürften, was wäre das?

Gleiche Rechte wie in anderen Berufen sowie jegliche „Illegalisierungsideen zum Schutz von angeblichen Opfern“ gesamtgesellschaftlich als moralische Rückkehrversuche enttarnt zu wissen.

 

Weitere Informationen zu seiner Arbeit findet ihr hier: Dominus.Berlin

Das Interview wurde per Mail geführt, vielen Dank für die ausführlichen Antworten.

 

Fotos: © Dominus.Berlin

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