Manchmal vergisst man, warum Dinge so sind wie sie sind. Und manchmal verlieren Dinge ihren Wert, weil man sie für selbstverständlich nimmt. Es ist unglaublich wie schnell wir Etwas selbstverständlich nehmen und wie schnell wir uns an Etwas gewöhnen. Was früher heiß und innig geliebt wurde, ist nur noch eine lauwarme Zuneigung. Was früher exzessiv täglich betrieben wurde, wird nur noch ab und an betrieben.
Der Alltag frisst uns manchmal auf. Die Schnelligkeit, die ständig wiederkehrenden Aufgaben und plötzlich schaut man auf den Kalender und merkt wie die Zeit verging. An den Augen zeigen sich die ersten Falten, das Haar verändert seine Farbe und man fragt sich, warum alles so kommen musste wie es kam.
„Bin ich glücklich?“
Diese Frage hat vor einiger Zeit mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, weil ich feststellen musste, dass ich den Mann, neben dem ich viele Jahre aufgewacht bin, nicht mehr liebe. Weil ich festgestellt habe, dass das Leben, das ich führte; das er für uns gewählt hatte; nicht das Leben war, das ich mir gewünscht hatte. Und die Frau im Spiegel sah nicht einmal im Ansatz so aus, dass sie mir gefallen konnte. Also bin ich ausgebrochen, habe die Beziehung beendet, bin ausgezogen, habe den Job gewechselt, neue Hobbys begonnen und mein Lachen wiedergefunden.
Es war eine unglaubliche Energie, die sich freigesetzt hatte, die mich alles umkrempeln ließ und nie an meiner Entscheidung zweifeln. Ich hatte mich neu erfunden, mich selbst wiedergefunden. Doch dann kam Corona – die Isolation. Einsam, allein in der eigenen Wohnung. Ein Tag wie der andere, orientierungslos und das Spiegelbild veränderte sich wieder. Der Ansatz rausgewachsen, die Fingernägel viel zu lang, der Speck über dem Hosenbund und dann die Einsamkeit. War es nicht schöner nachts nicht allein schlafen zu müssen? Es ist das erste Mal, dass ich über meine Entscheidung nachdenke, sie ernsthaft anzweifle. Und irgendwie ist da ein dunkles Loch, das mich langsam aufsaugt.
Neue Energie
Und dann ist es wieder eine kleine Frage, die alles auf den Kopf stellt. „Warum hast du dich denn damals dafür entschieden?“ Ja, warum bin ich gegangen? Weil ich glücklich sein wollte. Weil ich so leben wollte wie ich es mir vorgestellt habe. Weil ich an die große Liebe glaube, die irgendwo da draußen auf mich wartet. Weil ich lieber allein bin als in einer zweckmäßigen Beziehung. Und ich spüre sie, die Energie, die mich schon damals durchströmte. Und da ist es wieder - das Lächeln.
Die Fingernägel sind abgefeilt, die Haare frisch gefärbt und das tägliche Sportprogramm aufgestellt. Manchmal müssen wir uns nur darauf besinnen, warum wir uns für einen Weg entschieden haben und einen kurzen Moment aus dem Alltag ausbrechen, der uns zu schnell vergessen lässt, warum Dinge sind wie sie sind.
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