Neulich hatte ich eine Begegnung, bei der mir eine Frau erzählte, sie sei wahnsinnig neugierig auf BDSM. Aber aktuell habe sie quasi keinerlei Lust auf Sex. Wie und ob das denn zusammenpasse und was ich davon hielte, wollte sie wissen. Eine gute Frage, wie ich fand. Gehören BDSM und Sex zwingend zusammen? Oder geht BDSM auch ohne Sex. Die umgekehrte Frage: geht Sex auch MIT BDSM liegt zwar nahe, aber die müssen alle ganz individuell für sich beantworten. Aber Scherz beiseite.

Zuerst einmal die Frage, wie definiere ich „Sex“ für diesen Artikel? Für diese konkrete Fragestellung würde ich alles als Sex einordnen, bei dem Geschlechtsteile stimuliert werden. Ein Geschlechtsteil abbinden oder schlagen wäre nach der Definition kein Sex. Orale Stimulation oder Stimulation mit den Händen natürlich schon. Sexuelle Erregung alleine definiere ich hier nicht als Sex. Durch Erregung wird ja erst einmal keine Handlung ausgelöst. Erregung darf also absolut entstehen, mehr aber eben nicht.

Jetzt, wo wir das geklärt haben, also zur spannenden Frage. BDSM ohne Sex? Geht das und wenn ja, wie und warum?

 

Stammleser wissen, ich bin kein Experte im Thema Bondage. Ich weiß aber genug, als dass ich sagen kann: Sex ist beim Bondage zwar möglich, aber keinesfalls zwangsläufig. Meines Wissens lassen sich Menschen sehr oft fesseln oder fesseln andere und es passiert sexuell nichts. Nicht selten lassen sich Menschen sogar bekleidet fesseln, was die Sache ja noch ein Stückchen weiter von sexueller Interaktion weg rückt. Rope-Top und Rope-Bottom genießen die Fesselungen, womöglich erregt es sie. Aber mehr muss nicht passieren.

Bondage ist eindeutig ein Teil von BDSM. Aber Sex findet dabei nicht zwangsläufig statt. Kann sein, muss aber nicht.

Ein weiteres Beispiel ist Spanking. Es gibt Menschen, die genießen den Lustschmerz oder die Art Trance, in die man verfallen kann ohne, dass es zu einem sexuellen Kontakt kommt. Spanker und Spankee erleben gemeinsam die Lust am Schlagen und geschlagen werden und auch hier muss es nicht zu einem sexuellen Kontakt kommen. Auch Spanking kann völlig losgelöst von Sexualität oder besser ausgelebter Sexualität stattfinden. Sex kann hier, muss aber nicht sein.

Auch im D/s gibt es Varianten und Spielarten, die ohne sexuellen Kontakt auskommen. Regeln, Aufgaben, ja selbst Strafen können ohne Sexualität ausgelebt werden. Völlig problemlos sogar. Dom kann hier im Rahmen der gemeinsamen Wünsche alles Mögliche kontrollieren und bestimmen. Aber Sex muss nicht dazu gehören. Der Genuss für beide kann rein aus dem Machtgefälle kommen. Auch, wenn Erniedrigung mit reinspielt, kann das ohne gelebte Sexualität wunderbar funktionieren.

Was entsteht, kann ganz unterschiedlich sein. Entweder ist es die Erregung aus Gehorsam, Unterwerfung und Erniedrigung. Vielleicht aber entsteht auch nur eine totale Zufriedenheit und ein Wohlgefühl, angenommen und geborgen zu sein. Keines dieser Gefühle muss aber in Sexualität münden. Sie können auch davon losgelöst für Wohlbefinden und Glücksgefühle sorgen.

Auch hier gilt: Sex kann sein, muss aber nicht dazu gehören.

 

Das waren jetzt drei Beispiele und es gibt sicher noch viele mehr. Nun fragen sich aber sicher manche: was soll denn das? Wer sollte BDSM ohne Sex haben wollen? Wofür soll das gut sein? Ich sehe da durchaus eine Reihe von Szenarien, in denen diese Fragen wichtig sein könnten.

Zum einen, gibt es Menschen, die wenig Lust auf Sex haben. Die eine geringe Libido haben oder gar asexuell sind. Dennoch können diese Menschen die Gefühle, die Bondage, Spanking oder D/s auslösen, genießen wollen. Eigene Libido ist nicht nötig, um es zum Beispiel als Spanker zu genießen, jemanden zu versohlen oder als Rope-Bottom, zu genießen, gefesselt zu werden.

Hinter dem Wunsch, BDSM ohne Sexualität zu erleben, können aber auch ganz andere Gründe stehen. Beispielsweise, wenn jemand in einer monogamen Beziehung steckt, den Wunsch nach BDSM verspürt, aber der Partnerperson nicht „untreu“ werden möchte. Dann ist eine Variante von BDSM ohne Sexualität womöglich die ideale Lösung. So sich die Partnerperson damit ebenfalls arrangieren kann. Der an BDSM interessierte Part lebt das Bedürfnis aus, aber die monogame Beziehung kann intakt bleiben.

Last but not least gibt es da draußen einfach auch Menschen, die möchten ihr BDSM genau so leben. Die wollen die Erfüllung, die ihnen ihre BDSM-Praktiken geben und eben nur genau die. Keine sexuellen Kontakte, einfach, weil sie keine Lust darauf haben. Auch das ist völlig in Ordnung.

 

Wie wir also sehen, kann BDSM sehr viel mit Sexualität und mit gemeinsamer Sexualität zu tun habe. Muss aber nicht. Wer BDSM mit Sex verbinden möchte, findet dafür unzählige Vorbilder. Aber auch die, die das nicht möchten und dennoch BDSM leben wollen, dürfen sich sicher sein: Ihr seid nicht alleine und was ihr wollt, ist völlig ok.

Kaum ein Satz ist im BDMS so abgegriffen und ausgelutscht. Aber nur, weil er eben auch oft stimmt. Denn hier gilt wirklich: Alles kann, nichts muss.

 

Foto: © pixabay

 

Diese Gedanken entspringen dem persönlichen Blog des Eisbär-Dom, den es unter  https://eisbaerbdsm.wordpress.com/ komplett zu lesen gibt.

Wer ist der Eisbär-Dom? Er ist Anfang 50, lebt im Raum Karlsruhe und ist Hausherr des oben genannten Blogs. Mit BDSM beschäftigt er sich bereits seit über 25 Jahren. Seitdem gab es sehr aktive und weniger aktive Phasen. Dabei hat er viel erlebt, viel probiert und würde sich daher als recht erfahren einschätzen. Aber dennoch ist er noch immer offen dafür zu lernen und Neues auszuprobieren.

Mit seinem Blog möchte er Einblicke in seine Ansichten und Vorstellungen geben und möchte aufklären. Denn leider begegnen einem da draußen immer noch viele merkwürdige Vorstellungen über BDSM. Sowohl von Leuten, die damit gar nichts am Hut haben, als auch von Leuten, die es selber praktizieren. Daher kann es für alle Interessierten nie genug vernünftige Information geben. Diese möchte er liefern und damit helfen. Der Blog soll aufklären, Mut machen, Vorurteile abbauen und Angst nehmen.

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