In dieser Kolumne geht es um eine meiner liebsten Praktiken in meiner Arbeit: Schläge und vor allem Schläge auf den Po. Im Englischen: Spanking. Vulgär: Arschverhauen. Fachgesimpelt: Das Versohlen von willigen Hintern zwecks Erhöhung des beidseitigen Genusses.

Vielleicht sagen jetzt einige, Haue auf den Allerwertesten sind nun wirklich nicht die hohe Schule des Sadomasochismus. Und klar, das eine oder andere Klatschen auf die Hinterbacken ist dank Brigitte und Konsorten vermutlich bereits in Vanilla-Schlafzimmern angekommen. Wer Spanking deshalb aber für eine „Anfängertechnik“ oder für „eindimensional“ hält, der verkennt das Potential dieser Praktik.  Aber sehen wir uns das einfach mal genauer an.

Zu einem guten Spanking gehört meiner Meinung nach ein guter Einstieg. Wer mich kennt weiß, dass ich mit dem Spiel an der Tür beginne. Bürgerliche Begrüßungszeremonien wie Händeschütteln machen es meinen Kund*innen nur schwieriger, den Übergang in das richtige Mindset zu finden. Gerade beim Spanking lege ich deshalb Wert darauf, meinen inneren Regler in Sachen Dominanz schon beim Einstieg erst einmal richtig fett hochzufahren. Freundlicher werden kann ich schließlich immer noch.

Viele machen das erstaunlicherweise umgekehrt, doch ich muss deutlich sagen: Ich halte nichts von dem freundlichen Handschlag an der Tür und dem anschließend harten Schlag mit der Stahlgerte auf die Mitte des Gesäßes. Psychologisch sinnvoll: Für erfolgreiche Sessions gibt man den Menschen meiner Erfahrung nach am besten gleich die Gelegenheit geil zu werden und in ihren Headspace droppen. Wird mir erst einmal die Rolle des führenden und fordernden Sadisten abgenommen, ist der Rahmen für unser Spiel gesetzt. Das Spanking selbst beginne ich aber in der Regel immer mit der Hand und relativ sanft. Körperlich gleich hart oder mit Geräten einzusteigen, kann ich einfach nicht empfehlen.

 

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens: Bei der Handarbeit ist die eigene Kontrolle am besten, die Gefahr des Danebenhauens ist minimal. Zweitens: Es ist einfach das beste Gefühl für den Arsch vor Dir. Drittens: Es wird direkt Körperkontakt und damit persönliches Gefühl aufgebaut. Viertens und letztens: Härter geht immer! Umgekehrt jemanden wieder runterzubringen, bei dem man zu wild losgelegt hat und der einem aufgelöst, ängstlich oder gar wütend gegenübersitzt, macht das Spiel sehr schwer.

Traditionell konzentriert man sich beim Spanking auf das Gesäß – man kann es nicht anders sagen, der Arsch ist da einfach besonders dankbar. Man kann ihn erst mit der Hand richtig schön warmmachen und später im durchbluteten Zustand wundervoll mit den verschiedensten Gerätschaften verhauen. Bei geduldiger Vorarbeit kann man damit auch verdammt weit gehen.

 

 

 

Die Auswahl an Optionen dafür ist riesig – von Alltagsgegenständen wie Teppichklopfer, Pfannenwender, Lineal oder Haarbürste hin zu Lederriemen, Nilpferdpeitschen, Kabel oder Gummischlauch. Insbesondere bei Lederpaddeln ist es übrigens wichtig, das Teil immer gerade zu halten – sonst kann es passieren, dass euer Spiel aufgrund einschneidender Kanten vorschnell beendet werden muss. Auch die beliebten Rohrstöcke würde ich bei einer Spanking-Session eher gegen Ende empfehlen – sie gehören zu den Geräten die bei starkem Gebrauch schnell die Haut öffnen. Merksatz für Peitschen: Die gehen mehr auf die Ränder, als man glaubt. Reitgerten sind als punktuelle „Farbgeber“ aber sehr zu empfehlen – mit ihnen kann man unter anderem punktgenau die noch hellen Flächen zwischen den roten Seiten abarbeiten. Quasi Search & Destroy.

Ich fürchte ich bin damit möglicherweise alleine auf der Welt, aber ich will euch bei dieser Gelegenheit auch mein Lieblings-Gerät für ausgedehnte Spanking-Sessions nicht vorenthalten: Nichts klatscht so herrlich laut und macht so billig Freude wie der Plastik IKEA Schuhanzieher um 1.90 €.

 

Das Hinterverhauen ist überdies eine Praxis, bei der sich – im Gegensatz zum Beispiel in punkto Spiel mit Genitalien – die meisten Menschen einig und mit Freude dabei sind. Motto: Arsch geht immer. Spanking auf der Hinterseite ist auch deshalb besonders gut, weil man mit entsprechender Vorbereitung echt viel davon vertragen kann – die Spanne zum Erschöpfungszustand ist lang.

Aber Spanking wäre nicht Spanking, wenn es nicht so vielfältig wäre. Ich persönlich liebe es zum Beispiel, Genitalien zu schlagen. Ganz besonders das Herbeiführen von Orgasmen durch Vaginal-Spanking – alles ist nass, es klatscht schön laut und die Ergebnisse sind oft fulminant und multipel. Auch Anal-Spanking ist toll – es ist doch so schön intim und erregend ganz nah zu beobachten, wenn sich der Schließmuskel reflexartig beim Schlagen schließt und dann wieder öffnet. Die Überraschung dabei, das körperliche Zittern, noch gepaart mit der Angst vor dem Unbekannten kreiert sozusagen einen direkten Dialog mit dem Körper des anderen. Herrlich!

 

Ich unterscheide beim Spanking grob zwischen „erotischem Spanking“, in dem mein Gegenüber körperliche Lust empfindet und „moralischen Spanking“ wo frei nach Freud kompensiert und transferiert wird.

Ob es dabei um das Aufarbeiten persönlicher Historie oder den Abbau von Schuldgefühlen geht, das Bedürfnis sich selbst zu fühlen oder die eigenen Grenzen zu testen, ob bewusst oder unbewusst – all das ist genauso legitim, wie der Wunsch im Rhythmus von Schlägen mit der flachen Hand mal richtig schön abzuspritzen. In der heutigen Gesellschaft geht oft der Bezug zum eigenen Ich verloren – mithilfe von BDSM können wir ein wenig an der Fassade kratzen, uns selbst in ganz anderer Form spüren.

Als Sexarbeiter begleite ich meine Kund*innen gerne auf ihrer „inneren Achterbahnfahrt“. Man kann mit mir im Nachgang über alle Kurven und Gefühle sprechen, die ausgelöst wurden. Nur wenn es darum geht über die tieferliegenden Motivationen zu sprechen, erreiche ich als Dominus meine Grenze. Es ist tatsächlich schon öfter vorgekommen, dass Kund*innen im Rahmen einer Therapie von Therapeut*innen „zu mir geschickt“ wurden. Für mich ist Sexarbeit in diesem Fall aber kein therapeutischer Startpunkt, sondern eine Maßnahme, über deren Sinn oder Zweckmäßigkeit in der Therapie ich nicht entscheide und auch nicht entscheiden will.

 

Betrachten wir das Spanking auch mal im Spannungsfeld zwischen Dominanz und Submission: Es beginnt mit dem richtigen Einstieg und wird in der Regel auch in der physischen Position der oder des Empfangenden sichtbar. Wie kann sich noch vor dem ersten Schlag besser ausdrücken was Sache ist, als wenn sich Dir ein Arsch entgegenreckt oder Dein Gegenüber die im Yoga schockierend treffend als „herabschauender Hund“ bezeichnete Position einnimmt?

Ebenfalls schön: Die Objektifizierung, wenn das auf den Bock geschnallte Opfer erstmal quer durch den Raum auf die gewünschte Position gerollt wird. Die meisten Möbel im SM-Studio haben übrigens einen klaren Vorteil gegenüber normaler Wohnungseinrichtung: Falls es irgend möglich war, ein Loch zum Befummeln von Genitalien in das gute Stück einzubauen, wirst Du todsicher ein Loch zum Befummeln der Genitalien vorfinden. Besonders beim Handspanking stimuliere ich gerne zwischendurch und nehme entsprechend der Reaktion die Fahrt Richtung „erotisches Spanking“ auf oder eben auch nicht. Das klassische Trial&Error der Sexarbeit.

 

 

 

Was ich wichtig finde: Beim BDSM allgemein, aber insbesondere beim Spanking, geht es nicht unbedingt um das Schlagen an sich sondern darum, den richtigen Gegenpart zu finden. Die Energie muss bei beiden Seiten fließen.

Egal ob man verhaut oder verhauen wird – es geht darum, die Gefühle und Emotionen des Gegenübers zu spüren, Energie-Pingpong zu erzeugen. Ich sage mal, ein Sub, der sich totstellt oder ein Dominus, der beim Schlagen gelangweilt auf die Tapete guckt, ist der Qualität eines Spankings nicht gerade zuträglich. Sich selbst zu verhauen, kommt in der Praxis dem unmöglichen Versuch des „sich selbst zu kitzeln“ nahe – es sei denn natürlich, man hat genau diesen Auftrag von seinem aktiven Gegenpart bekommen und befriedigt damit dessen ausdrückliche Gelüste! Treibender Faktor wäre hier aber wieder eine emotionale Verbindung, reines „Masturbationsspanking“ findet meines Wissens nicht statt.

 

Bei einem schönen Spanking versinken sowohl mein Gegenüber als auch ich selbst tief ab –  bei Bottoms beobachte ich oft einen rauschähnlichen Zustand, in dem diese auch nicht mehr gut ansprechbar sind. Auch ich selbst befinde mich als Aktiver dann in einer Form der Trance – in der allerdings keine*r Angst haben muss, dass ich deshalb die Kontrolle verliere. Am besten kann man es vielleicht mit dem Zustand beschreiben, wenn man so in gutes Buch vertieft ist, dass man die Welt um sich vergisst…

Auf diese Weise habe ich schon mehrere schöne und sehr geile Stunden mit Spanking erlebt. Und gerade beim Spanking sind die Feedbacks besonders intensiv. Es wird davon gesprochen, dass ein ein „Ventil geöffnet“ oder „Dampf abgelassen“ wurde. Striemen und blaue Flecken, die andernorts als Verletzung negativ konnotiert sind und wahrscheinlich sogar Erschrecken vorrufen würden, werden hier als positiv und schön empfunden bzw. werden sogar mit Stolz getragen und vorgezeigt.

Zusammengefasst: Diese scheinbar so einfache „Allerwelts-BDSM-Praktik“ hält in der Realität eine unglaubliche Bandbreite an Intensitäten und Spielarten bereit. Mit nicht zu unterschätzenden Gefühlen, die sowohl auf aktiver als auch passiver Seite hochkommen können – Hingabe, Mindfuck, der Austausch von Körpern und Energien. Der Zauber des Spankings eben! 

 

Fotos: © Dominus.Berlin

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Der Kolumnist

Master André alias Dominus.Berlin (1976) ist seit Jahren als Dominus in Deutschland, Schweiz und Österreich (www.dominus.berlin) tätig und gilt als Branchenführer der männlich-dominanten Sexarbeit.

Der gebürtige Rheinländer arbeitet seit Jahren in den bekanntesten Dominastudios sowie ebenfalls als Dozent für Themen rund um BDSM. Er ist zudem Sprecher für den Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD).

 

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