In der letzten Ausgabe habe ich bereits von meinem Dauerklienten Olaf erzählt, und wie schön wir zusammen Hundespiele machen. Sobald ich merke, dass mir ein Spiel wirklich Spaß macht, und es evtl. auch noch eine Ästhetik anbietet, drängt sich eine andere sexuelle Stimulation auf: mein Exhibitionismus. Deswegen werde ich mein Hündchen heute „Gassi führen“.

Aber worum geht es eigentlich bei dem Thema „Exhibitionismus“?* Ich habe das Wort - wie viele Andere meiner Generation - im Zusammenhang mit Herren kennengelernt, die in Parks ihren langen Mantel öffnen und somit Passanten mit ihrem Gemächt zu erschrecken suchten. In diesem Schock des Anderen lag dann die sexuelle Erregung. Leider hatte ich nie das Glück, dass ich so eine Begegnung hatte, evtl. hat man mir schon angesehen, dass ich wahrscheinlich nicht die gewünschte Reaktion gezeigt hätte. Natürlich musste ich etwas suchen, um diese Herren zu finden. Das war aber nicht sehr schwer, denn es gab zu meiner Zeit überall öffentliche Toiletten, wo sich Hinz und Kunz an der Pipirinne den Dödel rieben und selbigen mit Freude vorzeigten. Heute wird der Begriff weiter gefasst, denn auch mediengeile Menschen, die sich öffentlich -  z.B. in Talkshows - zur Show stellen, bezeichnet man heute als Exhibitionisten, was natürlich kein Straftatbestand ist. Aber da Exhibitionismus nichts weiter als „zeigen“ bedeutet, ist das sicherlich nicht falsch es so zu benennen. Übrigens, ist und bleibt dieses sehr männliche Phänomen auch nur für Männer strafbar. Auch als vor gut zwei Jahren eine bekannte Schauspielerin auf einem schmuddeligen Parkplatz ihre Muschi zwei sexy Undercover-Polizisten quasi ins Gesicht gedrückt hat, und die Polizisten daraufhin Anzeige erstattet haben, weil die Gute nicht aufhörte, blieb das „Vergehen“ für die Dame folgenlos. Na, soviel zum Thema der Gleichberechtigung. 

 

Nun, im Zeitalter des Internets sind die meisten dieser Angelegenheiten sowieso vor die Cam gewandert. Aber so spannend wie dieser spontane Blick in ein fremdes Wohnzimmer, und der dort vorhandenen Erotik, auch sein mag - nichts ersetzt den live-Kontakt. Dafür haben wir ja nun genug Orte (Clubs) geschaffen. Bei mir basiert der Wunsch nach „Vorführen“ natürlich auch einfach auf dem Gefühl des Stolzes, frei nach dem Motto „Schau mal, was ich hier Tolles mache.“ Allerdings spielt zu einem erheblicher Teil, der Bedarf nach Inspiration von Außen eine Rolle. Also, eine Suche nach Input zur Weiterentwicklung dessen, was ich grad so positiv erlebe. In Berlin gibt es eine Menge Orte, in denen tatsächlich die Mischung aus Tanz und Sex erreicht wurde, z.B. das Laboratory (Gays only), ein „Hintertrakt“ zum international bekannten Berghain, wo es Themenparties speziell auf den schwulen Mann zugeschnitten gibt. Gemischter im Publikum wird‘s im legendären Kitkat Club, wo es ohne Fetischgarderobe kein Einlass gibt, sowie das Insomnia, ein ehemaliger Ballsaal, in dem originale Barockelemente auf psychedelische Bilderwerke treffen, und sich der Hedonist gepflegt austoben kann.

 

 

Letzteres wird unser Ziel des heutigen Abends, denn abgesehen von meinem Exhibitionismus ist bei mir auch das Pendant vorhanden: der Voyeurismus. In dem Laden gibt es so viele Möglichkeiten zu Spannen, ach das wird herrlich! Damit wir uns nicht umziehen müssen, gönnen wir uns ein Taxi, und können so auch beruhigt an der Garderobe im Eingangsbereich vorbei, zur Halle. Gott sei Dank, ist es nicht so voll, und Olaf kann fein neben mir her krabbeln. Ich tue so, als wenn es völlig normal ist, dass ein menschlicher Hund neben mir läuft. Natürlich ist es das bei mir auch nicht, denn ich habe ja noch ein normales Leben ohne BDSM, und so kann ich diese Momente umso mehr genießen. Ich habe mich doch für‘s Leder bei mir entschieden. Wirkt massiger, und Olaf‘s Latex blitzt schon bei den Lichtern genug. Ich merke, dass er unsicher wird, denn er drückt seinen Kopf an mein Bein. Ich streichle ihn und mir gefällt, dass er trotz Unsicherheit in seiner Rolle bleibt. Ein hübscher Typ an der Bar beobachtet uns und signalisiert, mit seinem fast küssenden Blick, dass er unsere in diesem Augenblick deutlich sichtbare Verbindung „super sweet“ findet. Ich lächle zurück, denn ein erstes Ziel wurde erreicht: ich bin stolz, auch wenn der Typ offensichtlich hetero ist. Uns begegnen eine Menge verrückter Gestalten, unter anderem auch ein Pferd mit seinem Reiter, aber die beachten uns gar nicht, obwohl wir eigentlich so viel mit ihnen gemeinsam haben. Manche haben ganz irre Kostüme an, andere einfach nur Unterwäsche, oder eben simpel gar nichts.

 

In den hinteren Räumen geht es zur Sache. In einer Ecke sitzt ein Transvestit, und irgendwie wollen alle Hetero-Männer ihn beglücken, obwohl der „männliche Hintergrund“ offensichtlich ist. Da kannste als Cis-Mann ne Stunde so nett drapiert und empfangsbereit dasitzen, es kommt kein Hetero-Mann umme Ecke, aber ein Röckchen, eine Perücke und nur ein bisschen Make Up, sowie der übliche leichte Heteromann-Überschuss, und die Investition in diese Garderobe hat sich für die Transe bereits gelohnt. Olaf ist auch fasziniert von der Transe, die da gerade zwischen den sich ihr anbietenden Pimmeln auswählen darf. Ihre Wahl fällt stetig auf „groß und beschnitten“. Eigentlich würde ich mich nun irgendwie gerne dort hinlegen, das Treiben weiter beobachten und etwas Kuschelzeit mit Olaf verbringen, aber irgendwie finde ich das unpassend, zwischen dem ganzen Geficke. Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich in solchen Clubs unterwegs bin und mich irgendwo mit meinem Hund hinlege, die Menschen voller Erwartung rüber schauen und denken, dass ich ihn gleich durchbumse. Wir verlassen dann die Bummsabteilung, und schlendern wieder raus in den Saal. Olaf darf nun mal von der Leine weg. „Jetzt lauf mal los“, rufe ich ihm zu. Anfänglich noch etwas verunsichert tapsend, springt er später auf der Tanzfläche auf allen Vieren hin und her, und kommt immer wieder zu mir zurück, und reibt sich an meinem Bein. Unser Spektakel wird natürlich beäugt und ich werfe zur Steigerung natürlich einen mitgebrachten Knochen aus Plastik in die Menge. Olaf holt diesen ganz brav wieder, obwohl er gar nicht bemerkt, dass wir beobachtet werden. „Wow, seid ihr süß“, höre ich eine rauchige Stimme aus Bar-Nähe rufen. Ich drehe mich zu der Stimme um, und es baut sich vor mir die „schwule-Traumfrau“ auf: eine 1,86m große Frau, Mitte 40, auf mega High Heels, mit eingeklemmten großen Busen, langen blonden Haaren und wahnsinnig positiver Ausstrahlung; kurzum: eine Diva, und ich war sofort hin und weg. Es war Dominique, der der Laden gehört. Sie hatte früher selber ein ziemlich großes Domina Studio, und legte dort auch selber Hand an. Bekannt wurde das Ding unter anderem, weil es ein Familien-Domina-Betrieb war.

„Bist Du nicht der Dominus?“ fragt sie mit ihrer Stimme, in der irgendwie immer ein Lachen zu hören ist. Na, klar hatte sie schon mal von mir gehört, denn das Kurszentrum von meinem Domina Studio hatte erst kürzlich die Räume direkt über dem Insomnia bezogen. „Hey, für das Hündchen haben wir doch einen Napf“, sagte Sie und liess sich diesen Napf angeben. „na, mein Hündchen muss aber dann auf die Theke, damit ihn auch jeder sehen kann.“ entgegnete ich im vollen Bewusstsein meiner exhibitionistischen Ader. Sie überlegt kurz und stemmt dann ihre Hände an ihre Korsage: „Aber gern doch, kannst auch gern ein Foto davon machen...“ (Titelbild) Olaf, darf nun direkt auf der Theke was trinken.

Fotos: © insomnia

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Der Kolumnist

Master André alias Dominus.Berlin (45) ist seit Jahren als Dominus in Deutschland, Schweiz und Österreich (www. dominus.berlin) tätig und gilt als Branchenführer der männlich-dominanten Sexarbeit.

Der gebürtige Rheinländer arbeitet seit Jahren in den bekanntesten Dominastudios sowie ebenfalls als Dozent für Themen rund um BDSM. Er ist zudem Sprecher für den Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD).

 

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