Kennt ihr das, wenn man online mit jemandem schreibt, und es scheint alles perfekt und man möchte sich kennenlernen und dann plötzlich, von jetzt auf nachher, wird man geblockt, geghostet oder mit seltsamen Ausreden vertröstet? Schnell wird klar, dass hier alles nur virtuell bei der Tastenerotik bleibt. Die Frage ist eben, warum?

Warum sagt man es nicht direkt? Würden sich dann zu viele gar nicht erst darauf einlassen? Bleibt es so spannender? Ich persönlich kann mich darüber ja tatsächlich ärgern, da ich es für mich als Zeitverschwendung empfinde, wenn ich viel Zeit und Gefühl in etwas rein Virtuelles stecke, dass genau in diesem Stadium dann auch bleiben wird, doch auch ich habe dies schon ungewollt erleben müssen.

Wenn dies für beide direkt von Beginn an klar ist, finde ich es total in Ordnung, dann kann man seine Fantasie anregen, sich ohne Bedenken austauschen, hat aber eben auch keine falschen Erwartungen. Aber dieses „Hoffnung machen“ und dann enttäuschen, das ärgert mich. Und ich habe mich immer gefragt, was dafür wohl der Grund ist.

Jetzt hatte ich die Gelegenheit einen solchen Tastenerotiker nach seinen Beweggründen zu fragen. Torben* ist Mitte 40, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Die Ehe wird nur noch durch die Kinder zusammengehalten. Die Nächte verbringt Torben allein in einem separaten Zimmer im eigenen Haus, seine Frau und er schlafen getrennt. Den Alltag mit den Kindern teilen sie sich. Torben und seine Frau schlafen nicht mehr miteinander, nach dem zweiten Kind hat das aufgehört. Torbens Frau meint, wenn er unbedingt meine vögeln zu müssen, solle er das doch mit einer anderen. Doch genau davor hat Torben Angst, er möchte seine Familie nicht kaputt machen. Und so flüchtet sich Torben in eine Traumwelt. Sobald die Kinder abends ins Bett gehen, setzt er sich in seinem Zimmer an den Rechner.

 

Das Spiel beginnt

Mal hat er einen Account, der echte Inhalte hat, mal schlüpft er in die Rolle eines erfolgreichen Geschäftsmanns, der die große Liebe sucht. Doch egal in wen sich Torben verwandelt, eines ist klar, es bleibt alles virtuell. Für ihn ist das klar, doch ich frage, ob dies auch sein Gegenüber immer weiß und Torben verneint. Ich möchte wissen, wie weit er das Spiel spielt. Und er berichtet, dass das Spiel meistens nur wenige Wochen gut geht, spätestens, wenn man dann telefonieren oder sich treffen möchte, muss er abblocken. Doch er erzählt, dass er das vor einiger Zeit noch nicht hat. Er hat sich sogar bereits verabredet, die erwählte Dame ein Restaurant aussuchen lassen und gefragt, was sie denn am Abend auf der Karte wählen würde, was sie anziehen würde, und so konnte er sich in Gedanken den Abend ausmalen. Doch am Abend ist er nicht erschienen, was für ihn völlig klar war. Er habe dann kurz vor der vereinbarten Uhrzeit den Kontakt auf Blockieren gestellt und er wäre in diesem Moment tatsächlich traurig gewesen, da es ja bis dato so schön gewesen wäre.

Mein Mitleid hält sich in Grenzen, ich denke eher an die Frau, die dann im Restaurant vergebens wartet und irgendwann enttäuscht nach Hause geht.

Torben zeigt mir seine Fotosammlung. Er hat auf seinem Rechner die Fotos, die er erhalten hat, gut sortiert und beschriftet und das ist sein privater Schatz. Man spürt, wie wertvoll er die Bilder empfindet. Wenn es schlechte Tage zuhause gibt, schaut er sich diese Fotos an und denkt an die tollen Chats zurück und dann ist alles nicht mehr ganz so schlimm.

Ich frage, was er für Fotos sendet, wenn die Damen ihm Bilder senden. Er erklärt mir, dass manche gar nicht tauschen wollen, sondern freiwillig einseitig Bilder senden, falls ein Tausch doch gewünscht ist, holt er sich Bilder aus dem Netz. Social Media macht ihm das deutlich einfacher und er schlüpft dann in eine erfundene Identität. Ich frage, ob er es in Ordnung findet, was er da macht. „Es kommt ja niemand zu Schaden“, antwortet er mir darauf, die Profilinhaber würden die Bilder ja freiwillig veröffentlichen. Er zeigt mir eine Datei, in der er die erfundenen Identitäten auflistet, so dass er nichts durcheinanderbringt. Er möchte die Illusion so lange wie möglich aufrechterhalten.

 

Seit einiger Zeit ist Torben auf einschlägigen BDSM-Portalen unterwegs. Das hat Vor- und Nachteile. Nachteil ist, dass er eigentlich von BDSM keine Ahnung hat und diese Vorliebe auch nicht teilt, eigentlich geht es ihm „ums reine Ficken, BDSM ist ihm manchmal zu viel Drumherum“, dadurch ist er auch schon manchmal aufgeflogen und die Auserwählte hat ihn abserviert. Doch es hat auch einen großen Vorteil, und zwar die devoten User. Er erklärt mir, dass diese viel Zeigefreudiger wären, weniger verlangen und fordern und er so das Spiel länger aufrechterhalten könne. Er gibt sich als strenger Herr aus, der seine zukünftige Sub erst einmal testen möchte und sie sich erst einmal als würdig erweisen muss, um seine Sub sein zu dürfen. Das ist die Masche, die aktuell bei ihm am besten funktioniert. Wenn ich das höre, beginnt mein Subherz zu weinen, es ist für mich absolut furchtbar zu hören, dass man devote Spielpartner so ausnutzt.

Torben ist unglücklich und ich nehme an, dass sich dies wohl auch nicht in Zukunft ändern wird. Und jeder soll so leben wie er das möchte und ich kann auch nicht beurteilen, ob seine Kinder von der Lösung der Eltern etwas mitbekommen oder nicht, ob dies eine gute Lösung ist. Aber im Gegensatz zu Torben finde ich, dass er mit seiner Art Menschen schadet. Ich kann dafür wenig Verständnis zeigen und ich kann nur hoffen, dass wenig Frauen Opfer von Torben und seinen Lügenmärchen werden. Verhindern werde ich es wohl nicht können, aber Torben ist der erste Tastenerotiker, der seine Maskerade fallen lässt und mir Einblicke in die Welt dahinter gegeben hat und dafür respektiere ich ihn.

*Namen von der Redaktion geändert

 

Foto: © pixabay

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